WKO - Zuwanderung gestalten

Der Hintergrund: Österreich braucht nicht mehr, aber mehr qualifizierte Zuwanderung

Demografische Entwicklung – die einheimische Bevölkerung schrumpft

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Migration und Integration

Die demografische Entwicklung Europas spricht eine deutliche Sprache: die Zahl der Staaten, in denen die Sterberate deutlich höher als die Geburtsrate ist und deren einheimische Bevölkerung dadurch kontinuierlich zurückgeht, wächst. Bis zum Jahr 2050 würden ohne Zuwanderung um 88 Millionen Menschen weniger in der Europäischen Union leben; gleichzeitig steigt die Zahl der Menschen im Alter über 65 Jahren um cirka 54 Millionen. Dies führt zu einem Mangel an jüngeren und qualifizierten Arbeitskräften, der bereits jetzt in bestimmten Branchen beziehungsweise Berufen feststellbar ist.

In Österreich ist die Lage nicht anders: Statt auf 9,5 Mio. zu wachsen, würde die Bevölkerungszahl Österreichs ohne Zuwanderung bis 2050 auf 7,3 Mio. zurückgehen. Die Anzahl der Altersgruppe der Erwerbstätigen (zwischen 15 und 60 Jahren) nimmt langfristig um 10 Prozent ab, sodass 2050 nur noch knapp die Hälfte aller Österreicherinnen und Österreicher in diese Altersgruppe fallen. Hingegen steigt die Zahl der über 65 Jährigen auf rund 2,9 Mio. (von 22 % auf 36 %). Schrumpfende und alternde Länder wie Österreich benötigen ein gewisses Maß an Zuwanderung, um die Bevölkerungszahl und insbesondere die Zahl der Erwerbstätigen einigermaßen stabil zu halten.

Der Umfang der notwendigen Zuwanderung ist überschaubar und gut bewältigbar: So rechnen die Bevölkerungsprognosen der Statistik Austria mit einer Nettozuwanderung von 25.000 bis 40.000 Personen pro Jahr. Um allerdings dieses Potenzial für Wirtschaft und Gesellschaft zu nutzen, muss Österreich – wie eigentlich alle Länder West- und Mitteleuropas – von einer defensiven zu einer pro-aktiven Migrationspolitik übergehen.

Mangel an gut qualifizierten Arbeitskräften immer deutlicher spürbar Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften stellt bereits heute eine der größten Herausforderungen für die heimischen Unternehmen dar: 83 % der mittelständischen Unternehmen sind bereits mit Schwierigkeiten bei der Suche nach gut ausgebildetem Personal konfrontiert. Obwohl die Zahl der Hochschulabsolvierenden im Gesamtbereich der Technik- und Naturwissenschaften steigt und technische Fachhochschulstudiengänge ausgeweitet werden, ist ein anhaltender und sich ausdehnender Mangel an Diplomingenieuren feststellbar. Ab 2010 wird eine jährliche Lücke von 1000 Graduierten allein in den 15 meistgesuchten Studienrichtungen prognostiziert.

Eine kürzlich durchgeführte Befragung von Industriebetrieben kam zum Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen davon ausgehen, dass der Mangel an Technikerinnen und Technikern mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Problem für ihr Unternehmen wird, mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen sind sich dessen sogar sicher.6 Aufgrund der Besetzungsschwierigkeiten können zusätzliche Aufträge nicht mehr angenommen werden. Das heißt auch, dass vor- und nachgelagerte Beschäftigungsmöglichkeiten für das inländische Arbeitskräftepotenzial nicht realisiert werden können. Restriktionen am Arbeitsmarkt kosten Jobs beziehungsweise Jobchancen – für inländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Fachkräfte werden auch in Zeiten einer Konjunkturschwächung von der Wirtschaft gefragt sein und die Deckung des Mangels an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird nach wie vor schwierig sein.

Denn so wie in einer Hochkonjunktur nie alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von dieser Entwicklung profitieren und in Beschäftigung sind, so wird auch ein Konjunkturtief nicht alle treffen. Trotz aller Anstrengungen (Bildungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Förderung von Lehrlingen, Frauenförderung usw.) das im Inland verfügbare Arbeitskräftepotenzial verstärkt zu nutzen, führt kein Weg daran vorbei, einen Teil des Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften zukünftig über Zuwanderung zu decken. Qualität der Arbeitskräfte als Schlüsselfaktor für Wettbewerbsfähigkeit.

Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Österreich als Land mit einem hohen ProKopf-Einkommen verstärkt Anstrengungen in den Bereichen Innovation, Aus- und Weiterbildung und moderne Infrastruktur unternehmen.7 Wissensbasierte und exportabhängige Volkswirtschaften sind auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen8 , denn diese sind ein Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Es sind derzeit mehr Menschen in niedrig qualifizierten Positionen (351.000) beschäftigt als in Positionen die eine akademische Ausbildung erfordern (301.600).

Aufgrund der Qualifikationserfordernisse wird sich dies zukünftig ändern: So wird im akademischen Bereich ein jährliches Wachstum der Beschäftigung um 2,2 %, bei den Hilfsarbeitskräften ein deutlich geringerer Anstieg um 0,4 % prognostiziert. Generell geht der Trend sowohl bei Berufen in Branchen mit hohen Skill-Levels als auch in Branchen mit relativ geringen Qualifikationsanforderungen in Richtung Berufe mit höheren Qualifikationsvoraussetzungen.9 Eine zentrale Zielsetzung für den heimischen Standort liegt daher darin, für eine optimale Nachwuchssicherung von „innen“ zu sorgen, und zwar durch die Ausbildung einer ausreichenden Zahl an qualifizierten Arbeitskräften, die auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes optimal vorbereitet sind.

Die andere Chance und Notwendigkeit ist, dass Österreich seine Attraktivität nach „außen“ als Arbeitsplatz für internationale Spitzenkräfte und qualifizierte Fachkräfte weiter ausbaut, um im zunehmenden globalen Wettbewerb um die größten Talente bestehen zu können. Österreich im Zentrum Europas Globalisierung, Internationalisierung, Europa: Unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Umfeld wird immer internationaler. Wir schaffen gemeinsame Räume in Politik und Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft und Forschung – damit rücken auch Menschen, Staaten und Kulturen näher zusammen.

Eine gelungene Migrations- und Integrationspolitik gehört daher zu den größten Herausforderungen für die österreichische und europäische Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Österreich war und ist – bereits seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts – ein Zuwanderungsland und verdankt diesem Umstand viel. So hat Österreich von der Ostöffnung und den letzten Erweiterungen der Europäischen Union besonders profitiert und wird auch aus künftigen Erweiterungen nach Osten und Süden Vorteile ziehen können. Die Lage Österreichs im Zentrum Europas bestimmt seine Zuwanderungspolitik mit.